Ratssitzung am 06.03.2025: Bezahlkarte für Geflüchtete

Antrag der Koalition: https://anwendungen.bielefeld.de/bi/vo0050.asp?__kvonr=41127

Rede von Michael Gugat:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleg*innen,

heute geht es um die Frage, ob die sogenannte Bezahlkarte für Geflüchtete in Bielefeld eingeführt werden soll. Wir als Wähler*innengemeinschaft Lokaldemokratie in Bielefeld sprechen uns entschieden gegen dieses Vorhaben aus und unterstützen den Antrag der Koalition, der die Einführung der Bezahlkarte ablehnt. Unsere Ablehnung beruht auf einer Vielzahl fundierter Gründe, die sowohl organisatorische, soziale als auch rechtliche Probleme umfassen.

1. Massive Umsetzungsprobleme und bürokratischer Mehraufwand
Die Einführung der Bezahlkarte verursacht erhebliche Umsetzungsprobleme. Die bisherigen Erfahrungen aus anderen Bundesländern und Kommunen zeigen, dass die Implementierung nicht reibungslos funktioniert. Technische Störungen, lange Wartezeiten bei der ersten Gutschrift und eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten führen zu erheblichem Frust bei den Betroffenen und zu einer deutlichen Mehrbelastung der Verwaltung. Statt Effizienz zu steigern, verursacht das System unverhältnismäßigen Mehraufwand und bindet Ressourcen, die an anderer Stelle dringender benötigt werden.

2. Einschränkung der Lebensrealität Geflüchteter
Die Bezahlkarte schränkt die betroffenen Menschen in ihrem Alltag massiv ein. In vielen Kommunen wird der Bargeldanteil auf 50 Euro pro Monat begrenzt, für Minderjährige teils noch darunter. Dies reicht nicht aus, um grundlegende Bedürfnisse zu decken. In Deutschland sind viele alltägliche Dinge weiterhin nur mit Bargeld zu erwerben – von Flohmarktartikeln über gebrauchte Fahrräder bis hin zu kleinen Einkäufen auf Wochenmärkten oder in lokalen Geschäften, die Kartenzahlung nicht anbieten. Die Betroffenen werden so in ihrer Selbstständigkeit und sozialen Teilhabe erheblich eingeschränkt.

3. Rechtswidrigkeit und bereits bestehende Gerichtsurteile
Mehrere Sozialgerichte haben bereits festgestellt, dass die pauschale Begrenzung des Bargeldbezugs auf 50 Euro nicht rechtmäßig ist. Verwaltungen sind dazu verpflichtet, individuell zu prüfen, ob die Bezahlkarte ausreicht, um die existenziellen Bedürfnisse der Betroffenen zu decken. Diese Prüfpflicht führt zu einer weiteren bürokratischen Belastung und zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die letztlich auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden.

4. Nachteile für den lokalen Einzelhandel und wirtschaftliche Ungleichbehandlung
Die Akzeptanz der Bezahlkarte im Einzelhandel ist stark eingeschränkt. Viele kleine Geschäfte, Friseure, Bäckereien und Imbisse können oder wollen die Karte nicht annehmen, da die Transaktionskosten höher sind als bei herkömmlichen Girokarten. Dadurch wird der ohnehin schon eingeschränkte Zugang zu lebensnotwendigen Gütern noch weiter begrenzt.

5. Datensicherheit und Eingriff in die Privatsphäre
Die Nutzung der Bezahlkarte bedeutet eine umfassende Kontrolle der Finanztransaktionen der Betroffenen. In einigen Kommunen werden bereits IBANs zur “Freischaltung” einzelner Überweisungsziele verlangt, was eine gravierende Einschränkung des Datenschutzes darstellt. In manchen Fällen wurde sogar die AZR-Nummer (Ausländerzentralregister) auf der Karte sichtbar vermerkt – ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz. Die Verwaltung von individuellen Zahlungsanfragen durch Behörden ist zudem nicht nur aufwendig, sondern auch mit schwerwiegenden Eingriffen in die Privatsphäre verbunden.

Fazit: Die Bezahlkarte ist unpraktikabel, ungerecht und ineffektiv
Die Bezahlkarte löst keine Probleme, sondern schafft neue. Sie bedeutet eine unzumutbare bürokratische Belastung, verletzt grundlegende Rechte und grenzt Geflüchtete weiter aus, statt ihre Integration zu fördern. Als Stadt Bielefeld sollten wir eine Lösung anstreben, die sowohl praktikabel als auch menschenwürdig ist – und das ist die Bezahlkarte nicht.

Vielen Dank.

Ergebnis der Beratung: Verweisung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss

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