In der jüngst überarbeiteten Verordnung (vom 27.06.2008, geändert in der 5. Änderungsverordnung) heißt es wörtlich:
„Wildlebende Tiere dürfen in dem im Folgenden beschriebenen Bereich nicht gefüttert werden. Als Füttern im Sinne von Satz 1 gilt auch das Auslegen oder Anbieten von Futter in sonstiger Weise. Das Verbot gilt nicht für Futterplätze, die von der Stadt Bielefeld bzw. im Einverständnis mit der Stadt Bielefeld eingerichtet werden.“
Unsere Anfrage an den zuständigen Ausschuss
Wir haben daher eine formelle Anfrage an den zuständigen Ausschuss gestellt. Ziel ist es, Klarheit darüber zu schaffen, wie diese Regelung im Alltag konkret ausgelegt wird. Unsere zentrale Frage lautet:
Bedeuten die behördlichen Formulierungen schlussendlich konkret in der Konsequenz auch, dass zum Beispiel die Menschen am Siegfriedplatz und anderen Orten in der Innenstadt auch keine Meisenknödel ohne ausverhandeltes Einverständnis der Stadt mehr aufhängen dürfen?
Die Antwort: “Zusammenfassend ist die Annahme in letzter Konsequenz zutreffend […]“
Die ausführliche Antwort ist hier zu finden
Meisenknödel am Siegfriedplatz? Verboten!
Es mag auf den ersten Blick wie eine überzogenen Interpretation oder ein Schildbürgerstreich klingen: Das Aufhängen von Meisenknödeln am Siegfriedplatz und in weiteren Innenstadtbereichen Bielefelds ist offiziell verboten. Die Verwaltung hat es in ihrer Antwort auf unsere Anfrage im Haupt-, Wirtschafts- und Beteiligungsausschuss am 4. Juni 2025 bestätigt: Ohne ausdrückliche Genehmigung der Stadt ist das Füttern von wildlebenden Tieren – einschließlich kleiner Singvögel – im entsprechenden Geltungsbereich untersagt.
Die Begründung: Vogelfutter könne auch Stadttauben und Ratten anlocken. Ein pauschales Fütterungsverbot sei deshalb notwendig, um das umstrittene „Taubenkonzept“ der Stadt durchzusetzen. Ein Konzept, das im Wesentlichen aus ein paar PowerPoint-Folien besteht – und dennoch in der Konsequenz gravierende Eingriffe ins Stadtleben rechtfertigen soll.
Die Verwaltung sagt: Ja, verboten – aber wird nicht verfolgt
Im gleichen Atemzug versichert die Verwaltung aber, dass sie „mit Augenmaß“ vorgehen wolle. Das heißt: Das Ordnungsamt könnte Meisenknödel verbieten und ahnden – wird es aber vielleicht nicht tun. Ein klarer Fall von Ermessensspielraum. Was harmlos klingt, ist in Wahrheit ein tiefes Problem.
Denn: Ermessensentscheidungen sind nicht einklagbar. Bürgerinnen und Bürger – zum Beispiel eine ältere Dame, die sich über die Meisen am Siegfriedplatz freut – können sich auf keine Rechtsverbindlichkeit verlassen. Sie müssen hoffen, dass das Ordnungsamt „gnädig“ entscheidet. Und vielleicht verzichten sie künftig lieber ganz, aus Angst, ins Visier der Ordnungsbehörden zu geraten.
Eine Atmosphäre der Verunsicherung
Gleichzeitig werden dem Rat (in anderer Sache) Anträge vorgelegt, die noch weiter gehen: Bürger*innen sollen laut Vorschlag der CDU (die größte Fraktion des Stadtrates!) über eine zentrale Telefonnummer oder ein Online-Formular „niederschwellig“ Verstöße gegen die Ordnung melden – anonym, versteht sich. Auch städtische Mitarbeiterinnen wie Hausmeister oder Schulsozialarbeiter sollen zur Denunziation motiviert werden.
Was entsteht, ist ein Klima des Misstrauens. Und die Frage bleibt: Wollen wir wirklich eine Stadt, in der der harmlose Meisenknödel Gegenstand ordnungspolitischer Maßnahmen wird?
Ein pauschales Fütterungsverbot für „wildlebende Tiere“ klingt abstrakt, trifft aber konkret: Singvögel, Eichhörnchen, auch Insekten – und die Menschen, die sich um sie kümmern. Es kriminalisiert bürgerschaftliches Engagement und schadet dem Vertrauen in die Stadtverwaltung.
Wer weiterhin einen Meisenknödel aufhängen möchte, muss nun offiziell einen Antrag stellen – für ein bisschen Fettfutter an einem Baum. Und von der anderen Seite betrachtet: Es wird eine ordnungsbehördliche Verordnung beschlossen, deren Nicht-Durchsetzung gleichzeitig mit einer Protokollnotiz in Aussicht gestellt wird. Willkommen in der neuen Ordnungspolitik.


Rede von Michael Gugat, Lokaldemokratie in Bielefeld, zum TOP Anfragen „”Keine Meisenknödel am Siegfriedplatz?”“, HWBA 04.06.2025
Ich bin gegen das Taubenkonzept, das ist bekannt. Für mich ist das, was damit geplant ist, ein Tierversuch, mit einem nicht ausreichend getesteten Medikament, welches Tierleid verursachen wird, welches zudem ehrenamtliche Strukturen und damit „Gemeinschaft“ zerschlägt. Außerdem kostet das so viel, wie die Öffentlichkeitsarbeit für die Förderung des Radverkehrs. Nur, dass es hier keinen Aufschrei gibt.
Sei es drum, es geht hier nur peripher um das Taubenkonzept.
Um das Ziel dieses sogenannte „Konzeptes“, welches im Wesentlichen nur aus ein paar Powerpoint-Säulendiagrammen besteht, durchzudrücken, wird die volle bürokratische Härte angewandt. Es wird pauschal ein „Fütterungsverbot wildlebender Tiere“ beschlossen. Die Verwaltung hat bestätigt: Das Aufhängen von Meisenknödeln, das Füttern von Eichhörnchen oder das Bereitstellen von Wassertränken für Vögel und Insekten ist in Zukunft am Siegfriedplatz verboten. Jede Oma, die den Tieren (und sich) etwas Gutes tun möchte, ist in Zukunft von Repressalien in Form von Ordnungsgeldern bedroht. Zahlt sie diese nicht, kann es bis zur Haft gehen.
Aber nein: Die Verwaltung erklärt in einer Art Protokollnotiz, dass ein Meisenknödel nicht verfolgt werden wird. Das ist nett. Das ist eine Ermessensentscheidung. Das Wesen von Ermessensentscheidungen ist, dass sie nicht einklagbar sind.
Die Oma am Siegfriedplatz ist in Zukunft darauf angewiesen, dass die Ermessensentscheidung des Ordnungsamtes positiv für sie ausfällt. Vielleicht verzichtet sie auch ganz auf einen Teil ihrer alltäglichen Lebensfreude, weil sie Angst hat. Denn die Verordnung ist eindeutig: Meisenknödel am Siegfriedplatz sind verboten.
Nun bin ich ein gelassener Typ. Die Verwaltung argumentiert ja auch, dass Meisenknödel gar nicht gemeint sind. „Das ist schon okay so.“ Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass mit ordnungsbehördlichen Verordnungen, die quasi eine Art kommunale Gesetze sind, nicht so leichtfertig umgegangen werden sollte, dass deren Nichtvollzug direkt in Aussicht gestellt werden, sonst bedeuten sie nichts mehr.
In was für einem Umfeld wollen wir uns auf Ermessensentscheidungen verlassen? Die größte Fraktion des Rates, die vielleicht die nächste Bürgermeisterin stellen wird, hat in der Ratssitzung morgen einen Antrag gestellt, in dem Sie unter anderem fordert, dass eine – ich zitiere – „niederschwellige Meldemöglichkeit geschaffen und aktiv beworben wird, etwa über ein Online-Formular oder eine zentrale Telefonnummer beim Ordnungsamt. Bürgerinnen und Bürger sollen ermutigt werden, Verstöße anonym zu melden. Gleichzeitig werden die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Schulsozialarbeiter, Erzieher, Hausmeister sowie das Personal des Umweltbetriebs für das Thema sensibilisiert und zur Meldung von Verstößen angehalten“
„Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“, heißt ein Zitat von Hoffmann von Fallersleben, dem Texter der Deutschen Nationalhymne.
Die größte Fraktion des Rates hält diese Stasi-Methoden aber für eine gute Idee. Das ist das Klima in der Stadt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich dadurch Nachbarn ermutigt fühlen, Verstöße gegen das Meisenknödelverbot zu melden. Ich traue das vielen absolut zu. Wäre ich eine Oma am Siegfriedplatz, ich würde auf meine Freude am Füttern der Vögel verzichten. Ich hätte Angst. Ich möchte nicht mit der Staatsgewalt in Konflikt geraten.
Oder: Ich stelle vorher einen Antrag auf das Aufhängen eines Meisenknödels. Denn die Verordung sieht Beantragungen ausdrücklich vor. Das bedeutet mehr Bürokratie.
Mein Fazit: Das ganze Taubenkonzept ist von vorne bis hinten völlig vermurkst und sie richtet großen Schaden in der Stadtgesellschaft und auch an den Tieren an.
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